Bürgergeld so lange, bis vorrangige Leistungen tatsächlich bewilligt sind

Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II) ist eine so genannte nachrangige Sozialleistung. Kann der notwendige Lebensunterhalt mithilfe anderer Sozialleistungen gedeckt werden, sind deswegen diese anderen Sozialleistungen zu beantragen, § 12a Satz 1 SGB II. Im konkreten Fall hatte das Jobcenter Kiel den Weiterbewilligungsantrag einer alleinerziehenden Mutter mit zwei minderjährigen Kindern unter Bezugnahme auf diese Regelung für den Zeitraum ab 1.12.2022 Ende November 2022 mit der Begründung abgelehnt, die Familie könne ihren Lebensunterhalt mit Wohngeld und Kinderzuschlag decken. Die Mutter beantragte umgehend am 25.11.2022 sowohl Wohngeld als auch Kinderzuschlag. Sie wies das Jobcenter aber zugleich auf die langen Bearbeitungszeiten bei den Wohngeldstellen und der Familienkasse hin und begehrt die Weiterbewilligung von ALG II (jetzt Bürgergeld) bis zu einer tatsächlichen Bewilligung von Wohngeld und Kinderzuschlag. Dies lehnte das Jobcenter Kiel ab. Das Sozialgericht gab der Familie Recht.

Die maßgebliche Vorschrift des § 12a Satz 1 SGB II, welches Leistungsberechtigte nach dem SGB II verpflichtet, vorrangige Leistungen anderer Sozialleistungsträger in Anspruch zu nehmen, ermächtigt den Grundsicherungsträger nämlich nicht dazu, Leistungen nach dem SGB II unter Verweis auf eine zu beantragende vorrangigen Sozialleistung abzulehnen. Bis zum Zufluss der vorrangigen Sozialleistungen muss der Grundsicherungsträger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in Vorleistung treten und Leistungen nach dem SGB II – unter Anmeldung eines Erstattungsanspruchs gemäß §§ 102 ff. SGB X – weiter gewähren. (Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 12.12.2022, S 41 AS 92/22 – rechtskräftig)

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