Keine Eilbedürftigkeit bei ALG II anstatt Hilfe zum Lebensunterhalt

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt es für das Begehren, anstelle von Arbeitslosengeld II Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in gleicher Höhe zu erhalten, regelmäßig an der Eilbedürftigkeit. Der Hilfebedürftige in diesem Verfahren bezog von der Landeshauptstadt Kiel Hilfe zum Lebensunterhalt. Nachdem Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen nicht getroffen werden konnten, stellte die Stadt die Leistungen zum 1.6.2022 ein und verwies den Hilfesuchenden an das Jobcenter Kiel. Da ihm auch das Jobcenter Kiel ab 1.6.2022 keine existenzsichernden Leistungen (ALG II) bewilligt hatte, wandte sich der Hilfebedürftige an das Sozialgericht Kiel mit dem Antrag, die Stadt vorläufig zu verpflichten, ihm weiter Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen. Das Sozialgericht lud das Jobcenter Kiel dem Verfahren bei und verpflichtet dieses, dem Hilfebedürftigen ALG II zu gewähren. Hiergegen wandte sich der Hilfeempfänger mit seinem Antrag zum Landessozialgericht und begehrte weiter, von der Stadt Kiel Hilfe zum Lebensunterhalt zu erhalten. Zur Begründung trug er vor, als ALG-II-Empfänger müsse er sich – anders als als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt – etwa auf Arbeitsangebote bewerben, eine Arbeit aufnehmen, Eingliederungsvereinbarungen unterschreiben bzw. die in einem ersetzenden Verwaltungsakt einseitig festgelegten Pflichten erfüllen, die sanktionsbewährt seien. Es befürchte, diesen Pflichten aus gesundheitlichen Gründen nicht nachkommen zu können. Die Sanktionsgefährdung begründe einen rechtlichen Nachteil, dessen Abwendung eilig sei.

Die Eilbedürftigkeit erkannte das Landessozialgericht nicht. Der Bedarf sei durch ALG II gedeckt. Auch die sanktionsbewährten Pflichten im ALG-II-Bezug begründeten keine Eilbedürftigkeit. Gegen etwaige – nach Ansicht des Landessozialgerichts unwahrscheinliche – Maßnahmen des Jobcenters könne sich der Hilfebedürftige notfalls mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes wehren. Zudem gelte bis zum 1.7.2023 für die meisten Sanktionen wegen der Corona-Pandemie ein Sanktionsmoratorium, so dass aktuell außer bei Meldepflichtsverletzungen keine Sanktionen drohten. (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02.08.2022, L 9 SO 71/22 B ER)

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